Urlaubsfreuden mit den neuen Alten

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Großeltern sind heute viel fitter als einst

Die Älteren erinnern sich: Oma und Opa? Das waren doch diese alten, vielleicht sogar griesgrämigen Leute mit Kittelschürze, Dutt, Blaumann-Hosen und Stumpen im Mundwinkel. Das mag wie ein Klischee klingen, doch trifft es den Kern der Sache nicht so schlecht, denn noch vor wenigen Jahrzehnten waren Großeltern häufig Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend mehr Entbehrungen als Liebe und Fürsorge erlebt hatten und die häufig mit ihren Enkeln nicht viel anzufangen wussten. Heute ist das grundlegend anders, denn heute sagt man Dinge wie „70 ist das neue 50“ und stellt erstaunt fest: Opa ist im Herzen immer noch ein Rocker und Oma kann davon berichten, wie sie als junge „68erin“ gegen alle möglichen Missstände demonstrieren gegangen ist. Sie fahren zusammen mit dem Wohnmobil oder gar dem Motorrad um die halbe Welt. Und sie lieben natürlich ihr Enkel heiß und innig. Im Interview mit Rüdiger Maas, Generationsforscher und Gründer des Instituts für Generationenforschung in Augsburg, haben wir uns die neuen alten unserer Zeit einmal näher angeschaut und sind dabei auch der Frage nachgegangen, wie gut man die neuen Omas und Opas denn im Urlaub brauchen kann.

Herr Maas, inwiefern unterscheiden sich die heutigen Großeltern von denen vorangegangener Generationen?

Rüdiger Maas: Großeltern sind dieser Tage oft fitter und junggebliebener als jene ihrer Vorgängergeneration. Letztere haben in der Regel den 2. Weltkrieg miterlebt und gelernt, auf vieles zu verzichten. Sie schätzen, was sie haben. Entsprechend schwer fällt es ihnen, sich von Dingen zu trennen oder Sachen wegzuschmeißen. Gleichzeitig erfuhren diese Menschen bedingt durch Krieg und Elend nicht immer viel Zuneigung und Liebe, was einen riesigen Unterschied zur aktuellen Großelterngeneration darstellt. Heutige Omas und Opas wuchsen mitten im wirtschaftlichen Aufschwung auf.

Wie wirkt sich das auf deren Reise- und Urlaubsgestaltung aus?
Rüdiger Maas: Da heutige Großeltern körperlich, geistig und physisch sehr fit sind, reisen sie gerne bis ins hohe Alter. Man will noch was erleben, wodurch die klassische Großelternrolle oft in den Hintergrund rückt. Enkelkinder? Sehr gerne, aber bitte nicht „24/7“, sondern mit Ankündigung. Schließlich haben Omas und Opas noch ein eigenes Leben.

Falls dieses Leben dann doch mal Zeit und Platz für einen Urlaub mit den Enkeln hergibt: Was müssen Großeltern beachten, wenn sie ihre Enkel in den Ferien über längere Zeit bei sich haben? Worauf müssen sie schauen?
Rüdiger Maas: Auf die Sorgen und Nöte der Eltern. Vielen Müttern und Vätern fällt es schwer, ihre Sprösslinge in die Obhut anderer zu geben ohne permanent Kontakt zu halten. Ein weiterer Punkt ist, dass Eltern heute, anders als vorangegangene Generationen, stark digital geprägt sind, was sich auf die Erziehung und Kommunikation auswirkt. Großeltern hingegen nutzten neue Technologien nur aus Effizienzgründen und nicht zur Dauerbeschallung.

Welche Aktivitäten würden Sie Großeltern und Enkeln in den Ferien empfehlen? Was brauchen die heutigen Enkel von ihren Großeltern?
Rüdiger Maas: Heutige Omas und Opas gehören zur einer der letzten Generationen, die den Großteil ihres Lebens analog bestritten haben. Dabei gewannen sie einen enormen Erfahrungs- und Wissensschatz, den ihre Enkel in dieser Form nicht mehr kennenlernen werden. Genau hier könnten Großeltern ansetzen und ihr Wissen teilen. Dabei sind alle Aktivitäten, die sich außerhalb der digitalen Welt unternehmen lassen, förderlich.

Und wo sehen Sie das größte Konfliktpotential zwischen Eltern, Großeltern und Enkeln? Wie sollte damit umgegangen werden?

Rüdiger Maas: 90 Prozent der Eltern googeln alles, was sie sich nicht erklären können, vertrauen den Ergebnissen der Suchmaschine aber nur bedingt. Verunsicherung ist somit vorprogrammiert. Großeltern haben hingegen vieles aus Erfahrungen und auch manchmal aus dem Bauch heraus entschieden. Während es Oma und Opa häufig schwer fällt, ihren digitalaffinen Kindern analoge Erfahrungen zu vermitteln, halten diese Erklärungsansätze für nicht mehr umgebungskonform. Auch das Erziehungsverhalten birgt einiges an Konfliktpotenzial: Eltern bekommen heute weniger Kinder. Sie können sich demzufolge maximal auf sie fokussieren und nicht allzu selten auch überprotegieren, was aus Sicht der Großeltern oft ein Zuviel des Guten ist!

INFO
Rüdiger Maas ist Generationsforscher und Gründer des Instituts für Generationenforschung. Maas hat Psychologie in Deutschland und Japan und später noch Philosophie studiert. Seit 2012 erforscht und analysiert er mit seinem Team gesellschaftlich relevante Themen sowie generationsbedingtes Verhalten. Mit seinen zahlreichen Fachbüchern und Vorträgen ist Maas inzwischen der bekannteste Generationenforscher Deutschlands. Zu seinen jüngsten Werken gehört das Buch „Was hat Bill Gates mit Corona zu tun? Ein Buch über die Entstehung von Verschwörungstheorien und den Umgang mit ihnen“.

www.generation-thinking.de

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