Freiburger Öko-Institut untersucht TV-Produktionen auf ihren CO2-Abdruck
Fernsehfilme und -serien sollen unterhaltsam sein, spannend und emotional. Kinoproduktionen und Dokumentarfilme auch. Aber wie verhält es sich eigentlich mit der Umweltbilanz solcher Projekte? Dieser Frage ist das Öko-Institut in Freiburg nachgegangen und hat im Rahmen einer Untersuchung im Auftrag der baden-württembergischen Filmförderung rund 80 Serien- und Filmproduktionen unter die Lupe genommen. Mit dem Ergebnis, dass beim Thema CO2-Einsparung noch einiges an Luft nach oben ist.
Ina Rüdenauer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Freiburger Institut und hat das Projekt unter sich gehabt: „Die Produktionen konnten für unsere Untersuchung alle möglichen Daten in eine Online-Erhebung eingeben: wurde geflogen für den Film, wie viele Autos wurden eingesetzt, wurden die Schauspieler im Hotel untergebracht, und so weiter.“ Gesendet wurde das erfasste Material, darunter aufwändige Serien wie „Babylon Berlin“, aber auch weniger opulent ausgestattete Daily Soaps wie „Rote Rosen“, von der ARD, von Amazon, der Mediengruppe RTL, Netflix, SKY, dem ZDF und ProSiebenSat.1. Auch Kinofilme wurden erfasst, zum Beispiel „Caveman – Der Kinofilm“. Das Ergebnis: die verursachten Treibhausgase liegen je nach Genre sehr weit auseinander. Aufwändige Serien wie „Der Schwarm“ verursachen pro Minute gesendetem Material mitunter das Fünfzigfache an Treibhausgasen im Vergleich zu billig gemachten Daily Soaps, bei denen es zum Beispiel kaum verschiedene Drehorte gibt, die mit vielen Reisen und einem größeren Aufwand zum Beispiel bei der Versorgung der Schauspieler einhergehen würden. Ein 90-minütiger TV Film kommt, so Ina Rüdenauer, auf 90 bis 150 Tonnen CO2-Ausstoß. Das entspreche in etwa dem jährlichen CO2-Abdruck von 10 bis 15 Personen. „Wenn es nur um die Ökologie ginge, würden wir alle nur noch Soaps zu sehen bekommen“, so Rüdenauer.
Da das aber kaum jemand wolle, habe man nach Verbesserungsmöglichkeiten geschaut, so die Wissenschaftlerin: E-Autos und Zug statt Diesel und Flieger, Bio-Catering statt Kaffee aus dem Pappbecher, erneuerbare Energien im Studio und „on location“. Wobei die meisten Treibhausgase bei Film und Fernsehen im Schnitt übrigens zu rund 60 Prozent durch Transport- und Reisetätigkeiten verursacht werden. Die sogenannte Postproduktion mit Bild- und Tonbearbeitung verursacht im Schnitt dagegen lediglich zwei Prozent der Klimagase.
Einen Anreiz für mehr Ökologie am Dreh bietet die baden-württembergische Filmförderung, die zunehmend bestimmte Standards einfordert, um überhaupt noch eine Filmförderung zu gewähren. „Dazu gehört, dass beispielsweise Flüge ab 2023 nicht mehr erlaubt werden, wenn die Anreise an den Drehort in weniger als fünf Stunden auch mit dem Zug machbar ist“, erläutert Rüdenauer. Eine wichtige Stellschraube sei aber auch, wie gut und langfristig eine Produktion geplant werde, so die Expertin weiter: Je früher mit den Klimaschutzmaßnahmen bei einer Filmplanung begonnen werde, desto mehr CO2 könne eingespart werden. Ein simples Beispiel: Hotelaufenthalte hinterlassen eine größeren Fußabdruck als Ferienwohnungen. Allerdings gibt es auch Hemmnisse: Arbeitsverträge mit Schauspielern beinhalten häufig eine Klausel, die zur Anreise mit dem Flieger berechtigt. E-Autos stehen oft nicht in der Menge zur Verfügung, die man bräuchte. Und Öko-Strom und Bio-Essen am Dreh seien einfach teurer als Graustrom und konventionelle Lebensmittel. Grundsätzlich sei die Bereitschaft der Branche, ihre Ökobilanz in den Blick zu nehmen, aber groß, so Ina Rüdenauer.
Vor allem, seit vor knapp drei Jahren die initiative „Green Shooting“ aus der Filmbranche hervorgegangen ist, die eine Verpflichtung zu „grünen“ Mindeststandards beim Dreh beinhaltet und die Verpflichtung beinhaltet, einen Öko-Berater beim Dreh dabei zu haben, der Energiesparpotenziale aufzeigen hilft. Seit drei Jahren ist zudem eine Selbstauskunft über geplante Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit verpflichtend, wenn eine Filmförderung beantragt werden soll. Helfen kann dabei der „Green Shooting Kima Rechner“ der Medien- und Filmgesellschaft des Landes (MFG). Film- und TV-Produktionen, die die Mindeststandards in Sachen Ökologie beim Dreh erfüllen, können mit dem „Greenmotion“ Nachhaltigkeitssiegel versehen werden. Alles mit dem Ziel, die Chancen auf Fördermittel für einen Film zu vergrößern. Bis April 2022 hatten aber nur etwa ein halbes Duzend Produktionen – darunter zwei Tatort-Filme des SWR – dieses Siegel erhalten. Der Weg zum „grünen“ Fernseherlebnis ist also offenbar noch lang. Außer, man schaut Soaps… Ralf Deckert