Gefragt wie nie

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Krisen fordern uns zu mehr Nachhaltigkeit heraus

Vor zwei Jahren hätte das auch keiner gedacht: Dass wir uns nach der damals hochaktuellen Corona-Krise gleich auch noch mit so unangenehmen Themen wie explodierenden Energiepreisen und drohenden Versorgungsengpässen herumschlagen müssen. Doch nach Corona kam der russische Angriff auf die Ukraine, und als Folge dessen sehen wir uns mit Herausforderungen konfrontiert, die wir vorher immer gern bequem beiseite geschoben haben: Unsere Abhängigkeit von Rohstoffen, die nicht endlos vorhanden sind zum Beispiel. Von der Herkunft dieser Rohstoffe ganz zu schweigen.

Nun kann man sich freilich darüber ärgern, dass alles so teuer geworden ist. Für manchen von uns vielleicht sogar zu teuer. Und sämtliche staatlichen Hilfsprogramme sind ja perspektivisch auch keine Lösung. Was also ist zu tun? Es hilft ja wenig, auf die Politik zu schimpfen und bei der nächstbesten Wahl seine Stimme irgendwelchen politischen Randgruppen zu geben, die im Grunde mit der Demokratie wenig am Hut haben, wissenschaftlich erwiesene Phänomene wie die Klimakatstrophe infrage stellen und somit eigentlich keine Alternative für uns darstellen können.

Tun können wir freilich trotzdem etwas. Wir können unser Verhalten ändern. Das mag manchmal unbequem sein, zum Beispiel wenn man öfter auf den ÖPNV setzt statt aufs Auto. Es ist aber unter Umständen sogar gesünder. Zum Beispiel, wenn wir bei unserer Ernährung weniger aufs Schnitzel und mehr auf den Apfelschnitz setzen und somit sogar noch was fürs Klima tun: Je nach Herkunft verursacht die Produktion eines Kilos Rindfleisch bis zu 750 Kilo CO2. Bei einem Kilo fisch liegt diese Bilanz bei maximal 5 Kilo, bei Agrarprodukten ist sie noch niedriger. Insgesamt sind wir Menschen mit unserer Ernährung allein schon verantwortlich für ein Viertel der Treibhausgase, die die Ursache der Klimakrise auf unserem Planeten sind. Und da sind die Belastungen von Boden und Grundwasser durch die Massentierhaltung noch nicht einmal mit eingerechnet.

Der gesellschaftliche Reflex, den solche Rechnungen hervorrufen, ist oft die Kritik, dass das alles grüne Ideologien seien und dass man sich nicht vorschreiben lassen wolle, wie oft man sich ein Wurstbrot gönnt. Das ist verständlich. Keiner will sich gern alles vorschreiben lassen. Und wenn eine Partei irgendwas sagt, dann ist das eh immer von der Ideologie geprägt, die im jeweiligen Parteiprogramm steht. Dennoch macht es Sinn, über solche Zahlen nachzudenken und dann vielleicht doch zu einer freiwilligen Verhaltensänderung zu kommen. Das fängt schon beim Einkaufen an: Wir Deutschen schmeißen daheim jedes Jahr 6,5 Millionen Tonnen Lebensmittel weg! Das ist das 22-fache Gewicht des Kölner Doms und somit ein völliger Irrsinn, der eine Menge damit zu tun hat, wie wir einkaufen: Ohne Plan und viel zu viel. Kein Wunder, dass die Stichworte „bewusster einkaufen“ und „saisonal und regional einkaufen“ ganz oben auf der Liste der Tipps und Kniffe für mehr Nachhaltigkeit im Alltag stehen. Spätestens hier wird einem zudem klar: Nachhaltigkeit ist nicht mit Verzicht gleichzusetzen, sondern in vielen Fällen allenfalls mit weniger Verschwendung.

Ganz ähnlich verhält es sich übrigens auch mit der Kleidung, die wir tragen: Hier ein spontanes Blüschen, dort ein paar neue Schlappen. Am Ende stehen und hängen rund 40 Prozent unserer Kleiderkäufe ungenutzt im Schrank herum. Ein Umfrage im Auftrag von Greenpeace hat herausgefunden, dass allein in Deutschland nahezu zwei Milliarden ungetragene Kleidungsstücke irgendwo herumhängen. Viele von uns kaufen billig und oft neue Sachen dazu. Nahezu jeder zweite von uns wechselt seine Klamotten im Jahrestakt aus. Das Ideal wäre hingegen, dass man nur kauft, was man auch trägt. Und zwar länger als nur ein paar Wochen oder Monate. Für viele von uns mag das total uncool klingen. Für die Älteren ist es aber einfach auch eine Realität, mit der wir noch vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten ganz normal gelebt haben. Auch hier zeigt sich bei näherer Betrachtung: Nachhaltigkeit ist nicht in erster Linie Verzicht, sondern eine Abkehr von Verschwendung. Und die Zeit der Verschwendung könnte nun ja auch einfach mal vorüber sein. Denn glücklicher macht sie uns eh nicht.

Ralf Deckert

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