Eiskalt zieht er die Schlinge zu

Foto: Deckert

Mit seinem Krimi-Debüt „Der Dreisam-Mörder“ hat der ehemaligePolizeisprecher Walter Roth einen außergewöhnlichen und hochspannenden Roman vorgelegt

Früher war er selbst Kriminalpolizist und lange Jahre als Pressesprecher der Polizei in Emmendingen und in Freiburg im Einsatz. Dann gelang ihm mit der Dokumentation „SoKo Erle“ ein bundesweit beachteter Spiegel-Bestseller. Nun aber hat Walter Roth ein neues Kapitel aufgeschlagen und sein Krimi-Debüt „Der Dreisam-Mörder“ vorgelegt. Das Buch reicht weit über das hinaus, was sonst einen Regio-Krimi ausmacht: Es ist hochspannend, stilistisch treffsicher formuliert und bietet außergewöhnlichen Krimistoff, bei dem zwar jeder weiß, wer der äußerst gewissenlos und selbstgerecht vorgehende Täter ist, aber lange unklar bleibt, ob die Polizei den Mann auch überführen kann. Im Gespräch gibt Roth Einblicke in die Entstehung seines Romans.

gen55plus | Herr Roth, ist man als ehemaliger Polizist automatisch Krimi-Fan und dazu berufen, in der Pension Krimi-Autor zu werden?
Walter Roth | Im Gegenteil! Ich habe früher keine Krimis gelesen, weil man da dann immer die Vergleiche zur Polizei-Realität sucht. Und die fehlen ja meistens. Man bekommt zum Beispiel im Krimi in der Regel einen oder zwei Ermittler vorgesetzt, wo hingegen in Wirklichkeit 40 Leute in einer Sonderkommission gemeinsam auf Tätersuche sind. Von daher fand ich Krimis eigentlich immer recht realitätsfremd. Mittlerweile denke ich anders darüber: Der Krimi soll ja vor allem unterhalten, er muss nicht unbedingt polizeiliches Handeln abbilden.

gen55plus | Trotzdem finden sich im „Dreisam-Mörder“ viele Details, die man in anderen Krimis nicht findet. Zum Beispiel eben ganz bestimmte Typologien von Beamten in einer Sonderkommission. Und dann auch noch zwei Pensionäre, die bei den Ermittlungen eine Rolle spielen. Wie nah an der Polizeirealität sind ihre Polizisten im Buch?
Walter Roth | Die beiden Pensionäre sind nach zwei Kollegen konzipiert, die es wirklich gibt. Sie haben sich auch schon in dem Buch erkannt und sich sehr über ihre Rollen gefreut. Und auch die verschiedenen Funktionen der Mitglieder der Sonderkommission in meinem Roman sind vergleichbar mit der Realität bei der Polizei und mit den Strukturen innerhalb des Polizeiapparats. Zum Beispiel ist da der ehemalige Zivilfahnder, der sich – zurück im regulären Dienst – noch immer in der Rolle des verdeckten Ermittlers sieht. Und dann sind natürlich viele Orte der Handlung ganz genau so in Freiburg zu finden, wie ich sie beschrieben habe. Ich war überall vor Ort, als ich den Roman geplant habe. Ich habe aber auch Orte erfunden, wie die Arbeitsstelle des Täters oder eine bestimmte Villa in Norditalien, die für den Verlauf des Buchs wichtig ist.

gen55plus | Ohne inhaltlich zu viel zu verraten, geht es in ihrem Roman auch um fingierte DNA-Spuren, die der Polizei das Leben schwer machen.
Walter Roth | Das hat auch mit der Realität zu tun: Ein genetischer Fingerabdruck am Tatort führt in der Regel dazu, dass man aus polizeilicher Sicht zunächst von einer Spur des Täters ausgeht. Aber anders als einen Fingerabdruck kann man so eine Spur eben auch bewusst falsch legen.

gen55plus | Der Täter in ihrem Buch versucht, den perfekten Mord zu begehen. Ihm passieren dann aber Fehler, die weitere Morde zur Folge haben. Mit Spannung stellt man sich als Leser die Frage, ob es den perfekten Mord eigentlich geben kann. Wie sehen sie das als ehemaliger Kriminalbeamter?
Walter Roth | Ohne es beweisen zu können, würde ich sagen: Den perfekten Mord gibt es natürlich. Er wird gar nicht als Mord erkannt. Er bleibt im Dunkelfeld, eben weil er perfekt durchgeführt und verdeckt wird. Die Polizei ermittelt nicht, weil sie nichts davon erfährt.

gen55plus | Der Titel „Der Dreisam-Mörder“ erinnert an einen wahren Mordfall im Herbst 2016 in Freiburg. Die Geschichte ihres Krimis hat, anders als bei ihrem dokumentarischen Bestseller „Soko Erle“ vor drei Jahren, aber nichts mit einem wahren Verbrechen zu tun. Warum trotzdem dieser Titel?
Walter Roth | Das war eine Entscheidung des Verlags, der im Titel für seine Krimis immer einen Regionalbezug wählt. Ursprünglich hatte ich den Titel „Schwarze Herzen“ gewählt. Das wiederum hatte etwas mit den Tatwerkzeugen im Buch zu tun.

gen55plus | Ihr Krimi ist 500 Seiten dick und verknüpft sehr gekonnt mehrere Handlungsstränge, ohne dabei auf überflüssige Nebenrouten auszuweichen. Gewähren sie uns einen Blick in ihre Schreibwerkstatt? Sind daheim all ihre Zimmerwände mit Notizen und Pfeildiagrammen übersät, mit denen die verschiedenen Handlungen verknüpft wurden?

Walter Roth | Nein. Die Geschichte des Romans hatte ich vor dem Schreiben eigentlich schon komplett im Kopf. Dann habe ich jedes Kapitel stichwortartig aufnotiert. Immer nach dem jeweiligen Handlungsteil geordnet. Die Struktur des Buches basiert auf diesen Notizen.

gen55plus | Was zudem auffällt ist der wohltuend nüchterne Schreibstil des Romans. Da wird nichts mit markigen Worten aufgeblasen, sondern vieles bewegt sich nah an der Realität. Wie kam es dazu?
Walter Roth | Eine gute Story sollte verständlich formuliert und gut lesbar erzählt sein. Kurze, übersichtliche Abschnitte und eine Sprache, die jeder versteht, überlassen Raum für die gewünschte Spannung. (RD)

INFO
Walter Roth – Der Dreisam-Mörder,
erschienen bei Gmeiner, 506 Seiten, 19,- €.

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