Stilvolles Wohnen ist immer ein Thema
In Italien haben die Menschen immer schon ein Händchen für edles Design und stilvolles Wohnen gehabt: Noble Gläser, schicke Stehrümchen aus Porzellan, Mode und Möbel galten und gelten als Exportschlager. Und sind im Alltag voll integriert, wie beispielsweise die Espressotassen, die Mario Bellini für den deutschen Hersteller Rosenthal entworfen hat, oder die ikonischen Deckenlampen von Gino Sarfatti in der Vergangenheit bewiesen haben. Edles Design und hohe Funktionalität gehen bei den Meistern in Italien Hand in Hand. Kein Wunder, dass der wichtigste Preis für Industriedesign, der Compasso d´Oro, ebenfalls in Italien vergeben wird. In Mailand, um genau zu sein, dem Mekka der schönen Dinge.
Ebenfalls kein Zufall ist es, dass auch die weltweit wichtigste Möbelmesse, der Salone del Mobile, in Mailand veranstaltet wird. Dieses Jahr wurde die Messe 60, und natürlich war sie erneut ein Gradmesser für das, was wir uns gern in die Wohnung stellen, wenn wir über etwas mehr Geschmack und etwas mehr Geld verfügen. Wobei allenthalben zu lesen war, dass ein klein wenig Bescheidenheit zu verspüren war vor Ort, denn die Corona- und die Rohstoffkrise der vergangenen zwei Jahre haben die Hersteller zu etwas Zurückhaltung bei der schier endlosen Flut an Neuheiten gezwungen. Geradlinige Designs erlebten in Mailand eine große Stunde, und manche Idee schaute da auf den ersten Blick so aus, als habe der Edel-Designer sie bei einer allseits bekannten Möbel-Kette aus Schweden abgekupfert. Nur eben wertiger und haltbarer. Nachhaltigkeit war nämlich ebenfalls ein Thema in Mailand im Juni: Möbel, die haltbar und zeitlos sind, kommen gut an dieser Tage. Oder Teppiche aus Wollresten zum Beispiel, die trotzdem edel aussehen. Naturmaterialien wie Holz, Holz und Holz. Oder multifunktionale Möbel, die mal als Hocker und dann wieder als Tisch eingesetzt werden können. Manche Trend-Experten wittern gar die Rückkehr des Minimalismus in der Küche. Die Konsequenz: all die angesagten Elektrogeräte, die kaum einer nutzt, fliegen raus. Dumm nur, dass sie in ein oder zwei Jahren wieder der letzte Schrei sein werden und dann neu gekauft werden müssen…
Dabei stimmt es ja, dass weniger manchmal mehr ist. Und man muss auch nicht jedes Jahr auf der Messe in Mailand eine neue Einrichtung kaufen, um stilvoll wohnen zu können. Design-Profis raten stattdessen durchaus auch gern mal zur Bestandsaufnahme daheim. Denn Stilfragen lassen sich nicht nur mit dem Geldbeutel beantworten. Sondern auch damit, dass man ein Gefühl dafür entwickelt, wie man die Dinge sinnvoll einsetzt, die man eh schon daheim hat. Schöne Bücher für den Kaffeetisch hat man beispielsweise oftmals tief im Schrank stehen. Nur sieht sie da ja keiner. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man so ein Buch sichtbar auf einem Beistelltisch drapiert. Und so jedem Besucher gleich mitteilt, was einem gefällt, wo man stilistisch steht, wie man tickt. Ähnliche Zwecke erfüllen auch Kommoden, über die man schöne Bilder hängen und die man mit schönen Accessoires bestücken kann. Es muss ja keine Laubsägearbeit aus dem 1-Euro-Shop sein. obwohl die ja auch was aussagt über den persönlichen Geschmack und Stil…
Wer von alleine nicht so richtig in Schwung kommt beim Thema Wohnideen, der kann auch im Netz auf Suche gehen. Zig Wohn- und Lifestyle-Blogger und Influencer geben Tipps und zeigen, wie toll es bei ihnen daheim aussieht. Manchmal fragt sich, was diese Leute denn tun, wenn sie in ihren Schmuckkästchen tatsächlich mal wohnen sollen, so trendy geht es da zu. Trends gibt es jedenfalls so einige derzeit: „Japandi“ ist einer davon, der skandinavische Klarheit mit japanscher Klarheit verbindet. Klar, dass da alles ganz klar und einfach ausschaut nachher. Als Gegenpol setzten manche Trend-Experten aber auch auf kuscheligen Samt, viel Grün (die Farbe der Stunde dieses Jahr, wenn man nicht gerade auf Gelb setzt…) und blumige Tapeten im Großformat. Branchenkenner wittern gar ein Comeback der Stilelemente der Achtzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, als Pastellfarben oder wahlweise schrille Muster auf gemütlichen Polstern die großen Renner waren.
Gemütlichkeit ist auch bei Sitzmöbeln gefragt, vor allem dank der Corona-Krise, wegen der wir ja mehr denn je zuhause rumsitzen mussten. Harte geometrische Formen finden sich aber auch, zum Beispiel bei Vasen oder Lampen, aber auf denen muss man ja auch nicht gemütlich sitzen können.
Schön wohnen im Sommer heißt für viele von uns aber auch: Raus, bitte! Und zwar auf den Balkon, der längst sein stiefmütterliches Dasein mit Klapptisch und Liegestuhl hinter sich gelassen hat. Möbelhersteller haben den Trend erkannt, und setzen auf Verbraucher, die den Balkon als Wohnzimmer vorm Wohnzimmer für sich entdeckt haben. Design und Qualitäten der entsprechenden Outdoor-Möbel haben in den vergangenen Jahren regelrechte Quantensprünge hingelegt. Hier wirkt sich auch aus, dass viele im Hinterkopf noch immer die Sorge um eine Corona-Infektion umtreibt. Draußen ist es lockerer. Also wird draußen auch aufgemöbelt! Aber ohne Heizpilz für den Herbst, bitte. Der ist nämlich nicht nachhaltig und somit auch nicht trendy.
Ralf Deckert